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Verkehrswende mit Vernunft

Wenn Maßnahmen ergriffen werden oder ergriffen werden sollen, die eine gerechtere Aufteilung der Flächen für den ruhenden oder fließenden Verkehr fordern, sehen sich Autofahrerinnen und Autofahrer in ihre grundlegenden Freiheitsrechten eingeschränkt. Sie organisieren Widerstand. In neuerer Zeit trifft dies auch auf alle Maßnahmen zu, welche sich im Umfeld der Verkehrswende im Kontext Klimaschutz bewegen. Wie das dann regelmäßig funktioniert, lässt sich aktuell an einer sich in Gründung befindlichen Bürgerinitiative „Lange Rötterstraße“ beobachten. Sie wirbt für eine Verkehrswende mit Vernunft, meint aber keine Wende.

Verkehrswende mit Vernunft

Miteinander nicht gegeneinander

So lautete das Motto zweier Veranstaltungen. Eingeladen hatte Andreas Kostarellos, der 1983 als OB-Kandidat für die Parteien Die Grünen und Liberale Demokraten nominiert war, in´s Uhland. Die erste Veranstaltung war sehr gut besucht und der Nebenraum des Uhland brechend voll. Eine gute Beschreibung dieser Veranstaltung findet sich beim Mannheimer Morgen.

Die Angst vorm Parkplatzmangel

Anlass dieser Veranstaltungen waren öffentliche Überlegungen unterschiedlicher AkteurInnen, die auf eine Verkehrsberuhigung, bis hin zur vollständigen Sperrung der Langen Rötterstraße und angrenzender Straßen hinausläuft. Die Berichterstattung dazu rief Gewerbetreibende der Neckarstadt-Ost auf den Plan, die öffentlich Stellung zur „geplanten“ Verkehrsberuhigung nahmen. Herr Kostarellos schrieb: „Mehrere Geschäftseigentümer, unter anderem auch Ich, lasen vor Wochen im „Mannheimer Morgen“, dass die Grüne Partei tendenziell die Lange Rötterstraße für den fahrenden und ruhenden Autoverkehr zur Hälfte sperren lassen will. Als Einstieg soll die Strasse probeweise nachts gesperrt werden. Eine den Grünen nahestehende Gruppe verlangt die Sperrung der Max-Joseph-Straße, der Uhlandstraße und der Geibelstraße auch für den parkenden Verkehr. Dies ist für die Geschäftsleute und vielen Anwohnern ein zu starker Eingriff. Selbstverständlich wissen wir um die Nöte der Fahrradfahrer, aber auch der Fußgänger.

Es geht um eine Verkehrswende mit Vernunft.

Herr Kostarellos stellte seinen Alternativplan vor, der nach seiner Aussage mit vielen Gewerbetreibenden so abgesprochen war. Wie sich beim zweiten Treffen zeigte, war diese ursprüngliche Zustimmung der Gewerbetreibenden zum Kompromissvorschlag eher der Erwartung einer vollständigen Sperrung der Straße geschuldet.

Wie zu erwarten, gab es in der ersten Veranstaltung keine zielführende Diskussion. Alle möglichen Leute gaben ihre Vorstellungen zum Thema ab. Die entstehende Bürgerinitiative ist nun mit einem Auftrag zur Durchsetzung dieser Vorstellungen versehen. Die Politprofis nutzten die Gelegenheit, die Positionen ihrer Parteien darzustellen. Die zweite Veranstaltung war dann mit nur 17 Personen deutlich schlechter besucht, bot allerdings die Gelegenheit zum Austausch. Uneinigkeit gab es über beide Veranstaltungen hinweg zwischen Herrn Kostarellos und den Grünen – was die nun beantragt, gesagt und gefordert hätten. Bei der zweiten Sitzung verwies Herr Kostarellos auf ein Papier, welches nur ihm zugespielt worden war. Eine Veröffentlchung würde ich begrüßen, damit sich die interessierte Leserschaft selber ein Bild machen kann.

Uneinigkeit über die Ziele

Was ist die Verkehrswende

Offensichtlich meinen die Menschen völlig unterschiedliche Dinge, wenn sie über Verkehrswende reden. Während die einen wie Christian Lindner einen Kulturkampf gegen das Auto wittern, sagen andere wie Ruprecht Polenz: „Es ist kein Kulturkampf, darüber nachzudenken, wie individuelle Mobilität in zehn oder zwanzig Jahren gewährleistet werden soll. Man könnte das Fortschritt nennen.“

Die Fachwelt ist sich einig

In der aktuellen Klimadiskussion sind sich die Klimawissenschaftler aus aller Welt in seltener Einmütigkeit einig. Es muss zu einer nahezu vollständigen Reduktion klimaschädlicher Abgase kommen, weil es ansonsten in näherer Zukunft mit einer hohen Wahrscheinlichkeit zu einer unumkehrbaren Zerstörung unserer Existenzgrundlagen kommen könnte. Das Budget ist fast verbraucht. Daraus ergab sich dann die gültige Gesetzes- und Vertragslage.

Leitet das Kapitalozän das Ende der Menschheit ein?

Einen spannenden Vortrag zur Situation der Erde im Zeitalter des Kapitalozän findet man bei YouTube.

„Das Kapitalozän – Erdzeitalter des Geldes“, Prof. Dr. Harald Lesch am 2.12.2018, TU Ilmenau

Ich persönlich will das Risko nicht eingehen, wissentlich zum größten Genozid der Menschheitsgeschichte beizutragen. Der motorisierte Individualverkehr muss deutlich reduziert werden, die PKWs müssen alleine in Deutschland einige 10 Millionen weniger werden und die verbleibenden müssen in der CO2-Gesamtbilanz weitestgehend klimaneutral werden. Dazu muss auch das Auto seinen Beitrag leisten.

Ein falscher Ansatz zur Verkehrswende

Das Hauptproblem schien mir für den größten Teil der TeilnehmerInnen der ersten Veranstaltung das Parkplatzproblem zu sein. Herr Kostarellos brachte es gegen Ende dieser ersten Veranstaltung auf den Punkt.

Lösungen kann es nur ohne Verdrängung der AutofahrerInnen geben

Andreas Kostarellos, 30. Januar 2020

Und damit zeigt sich das große Missverständnis. Es geht um die Frage, wie wir in den nächsten 20 Jahren dahin kommen, dass es nur noch wenige Autos gibt und eben nicht um eine Umverteilung des Platzes ohne eine Verdrängung des motorisierten Individualverkehrs. Dafür gilt es vernünftige Lösungen zu finden.

Lösungsansätze

Nachdem bei der zweiten Veranstaltung unter den TeilnehmerInnen die schlechten Erfahrungen mit anderen VerkehsteilnehmerInnen hinlänglich diskutiert waren, wurde klar, dass der Vorschlag von Herrn Kostarellos keine Mehrheit hat. Dennoch kann der Vorschlag als gute Diskussionsgrundlage dienen kann. Es zeichneten sich in etwa folgende Kompromisslinien ab.

  1. Die Einhaltung der Verkehrsregeln muss gegenüber allen VerkehrsteilnehmerInnen besser durchgesetzt werden.
  2. Es muss ein besseres Angebot für andere Verkehsträger (ÖPNV, Fahrrad) und Fußgänger geben.
  3. Quartiernahe Parkmöglichkeiten sollen gewährleistet bleiben.
  4. Der Durchgangsverkehr durch Wohngebiete und vor allem durch die Lange Rötterstraße soll erschwert werden.
  5. Insgesamt wird eine Wandlung der Langen-Rötterstraße zur Fahrradstraße oä. nicht grundsätzlich abgelehnt.
  6. Die Verkehrsführung für RadfahrerInnen wie FußgängerInnen über den Alten Meßplatz muss sich ändern.
  7. Parkraumbewirtschaftung soll eingeführt werden.

Zum letzten Punkt ist anzumerken, dass die Vorstellungen über die verfügbaren Parkplätze in der NUB weit auseinandergehen. Angeblich soll es da hunderte freie Parkplätze geben. Das sollte sich über die Bezirksberäte doch eindeutig klären lassen. Vielleicht kann das im Rahmen einer Expertenanhörung, die Herr Dech, Bezirksbeiratssprecher der SPD ins Spiel gebracht hat, schnell geklärt werden.

Mein persönliches Fazit

Ich begrüße es, wenn sich Menschen für ihr Lebensumfeld engagieren und persönlich einbringen. Viele sachliche Unstimmigkeiten und Möglichkeiten lassen sich sicherlich in einem Expertengespräch klären. Bei allen weiteren Überlegungen sollte man allerdings nicht schon in der Diskussion die Schere im Kopf ansetzen. „Das geht nicht, weil …“ ist ein beliebter Weg, Ideen schon bei ihrer Äußerung zu kappen und zurecht zu stutzen. Wenn unsere Stadtgemeinschaft etws wirklich will, bekommen wir das auch hin.

Und letztendlich erhoffe ich in 20 Jahren nur noch 5% des Autobestandes auf unseren Straßen und neue, beziehungsweise andere Mobilitätslösungen für die Masse unserer täglichen, individuellen Mobilitätsanforderungen.

Das wäre für mich eine Verkehrswende! Aber scheinbar fehlt dafür die Vernunft.

Rüdiger Kladt

Ich werbe für eine innovative, vorwärts gewandte, weltoffene und tolerante Politik, die sich an humanistischen Grundsätzen orientiert. Es ist nicht leicht, die dafür notwendigen politischen Mehrheiten zu überzeugen. Und viele Kompromisse sind lediglich ein Schritt in die richtige Richtung.

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